6. Gehschul-Workshop Seddiner See 2023

Rückblick auf den 6. Gehschul-Workshop vom 25.08 -27.08.2023

Heimvolkshochschule am Seddiner See

Liebe Mitstreiter,
ich nahm zum ersten Mal als 2-Beiner an einem Gehschul-Workshop für Beinamputierte teil. Natürlich reiste ich nicht allein an, sondern als Angehöriger von Hannelore. Die Agenda für die 3 Tage versprach keine lange Weile, trotzdem war ich unsicher, ob das auch für mich zutraf. Vorweg kann ich schon sagen, jeder Tagesablauf füllte mich total aus. Auch die Angehörigen waren voll in das Programm integriert: Aufstehen, pünktlich zum Frühstück (ansonsten musste man eventuell sich mit Resten begnügen), Schulungssaal, Gymnastik, Mittagessen, Gesprächsrunde, Kaffeetrinken wieder Schulungssaal und Abendessen (natürlich wieder pünktlich!). Die Agenda gibt genauer Auskunft, wie die Reihenfolge war. Nicht zu vergessen sind des abendlichen gemütlichen Beisammenseins unter freiem Himmel. Es wurde meistens spät, so konnte ein leichtes Schlafdefizit nicht verwundern. Trotzdem, diese Schnackrunde möchte ich nicht missen. Und alles bei Sonnenschein oder Sternenhimmel!

Gab ab es für mich auch bleibende Eindrücke? Ja, viele! Über einige möchte ich gern berichten.

Nach der Ankunft in der Heimvolkshochschule wurden wir sofort von Sylvia empfangen. Wir bekamen Zimmerschlüssel, Koffer Treppe rauf gewuchtet, Treppe wieder runter im flotten Schritt und es folgte pure Entspannung bei Kuchen und Kaffee. Toller Empfang!
Ich war überrascht, wie das Organisationsteam (Sylvia,Frank, Michael und weitere fleißige Helfer) den Schulungsaal mit dem notwendigen technischen Equipment sowie die Plätze für alle Teilnehmer professionell hergerichtet haben. Vieles davon musste mit eigenen PKWs und Hänger hergeschafft werden. Beeindruckend!
Die immer wieder angebotenen kleinen Kaffeepausen haben nicht nur mir gefallen. Wir saßen oder standen dazu in kleinen Gruppen, natürlich in der frischen Luft. Der Gesprächsstoff schien in diesen Tagen nicht auszugehen. Erholsame Pausen!

Ich war sehr erschrocken, als Gerold während einer gemütlichen Runde aufstand und krachend hinter mir zusammenbrach. Oh Gott, was war passiert? Hat er sich verletzt? Zum Glück nicht! Seine Prothese war zwischen Schaft und Knie auseinandergebrochen. Michael versucht sofort technische Hilfe zu leisten. Es blieb aber für Gerold nur der Rollstuhl zur Fortbewegung. Aber immerhin, er konnte so weiter bei uns bleiben, Später bei den schwierigen Geländeübungen hatte er ein breites Lächeln im Gesicht, da er durch sein Handicap davon befreit war. Prima hinbekommen!

Den gemütlichen Abend nach einem anstrengenden Tag sahen alle immer mit Freude entgegen. Bei Bier, Wein, Wasser und netten Gesprächen verging die Zeit wie im Fluge. Einmal trat ein Solotrompeter aus dem Dunkel hervor und blies die Melodie „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ (eine Blaskapelle logierte zufällig auch im Heim. Aha, daher der blasende Künstler). Er bekam donnernden Applaus.
Für uns aber leider keine Zugabe!

Ein separates Gruppengespräch führte Conny mit uns, den Angehörigen, durch. Thema war „Wie kommt eigentlich der Partner mit der ganzen Situation klar“. Die Beiträge waren meist emotional. Es war erkennbar, dass es offensichtlich guttut, mal mit „Gleichgesinnten“ in einer lockeren Runde zu sprechen. Dabei konnte jeder spüren, es gibt bei anderen Paaren auch mal dieses oder jenes Problem(chen). Gute Idee, miteinander zu reden!

Besonders hat mich Bärbel mit ihrer optimistischen und lebensfrohen Art und Weise beeindruckt. Sie hat es wegen der Kompliziertheit ihrer Amputation nicht leicht und ist für längere Strecken neben der Prothese noch auf Rollator und Elektromobil angewiesen. Taffe Frau!

Das Gehschultraining im Gelände war sehenswert. Mit Walkingstöcken „bewaffnet“ jagte die Gruppe der Oberschenkelamputierten einen doch recht steilen Hang runter und wieder rauf. Ok, „jagten“ galt nicht für alle. Aber mit fachkundiger Hilfe schafften es alle aus eigener Kraft. Großes Lob an alle, die sich trauten!

Damit wir 2-Beiner in der Zwischenzeit nicht etwa in den Ruhezustand schlitterten, quälte uns Physiotherapeutin Monika mit einem Kraft- und Balance Training, das uns aber durchaus guttat. Ein kleiner Muskelkater blieb am nächsten Tag aber nicht aus bei mir. Nur keine Schwäche zeigen!

Im Anschluss brachten Monika und Michael die gesamte Gruppe mit einer flotten Stockgymnastik außer Atem. Alle gaben sich große Mühe, die geschmeidigen Bewegungen der „Vorturner“ nachzueifern. Mancher Stock ging dabei zu Boden. Und dann endlich Pause!
Oh, war Michael gestürzt? Natürlich nicht. Wer wollte, konnte unter seiner Anleitung „Aufstehübungen“, wie man nach einem Sturz gut wieder auf die Beine kommt, üben. Für uns war eine Methode davon die perfekte Lösung. Keine Angst vor dem Fall!
Von den Darbietungen im Schulungssaal habe ich folgende mit großem Interesse verfolgt: Michael führte eine Gangschulanalyse mit freiwilligen Probanden durch. Eine fachkundige Auswertung fand am Ende des Workshops statt. Fragestunde und Diskussion mit Frau Dr. Beirau zum Thema „Erreichen persönlicher Ziele zur eigenen Mobilität“. Sie verstand es, die vielen Fragen alle hervorragend und empathisch zu beantworten. Vortrag zu Versorgungsvollmacht und Patientenverfügung. Wir erhielten zu diesem Thema viele neue Infos. Die trockene Thematik wurde sehr unterhaltsam vorgetragen. Man lernt nie aus!

Großen Applaus und ein und kleines Dankeschön gab es für externen Referenten und Therapeuten, für die Hauptakteure des Gehschul-Workshops und last but not least auch für die freiwilligen Probanden. Bravo!

Im Schlusswort vieler Teilnehmer, oder liebevoll auch Mitstreiter genannt, wurden den Hauptorganisatoren dieses Gehschul-Workshops, unsere liebe Sylvia und unser Frank, herzlich gedankt. Ohne Sie gäbe es diese Veranstaltung nicht in dieser Perfektion. Chapeau!

Beinamputierte im Klettergerüst. Ist das nicht eine großartige Darbietung zum Abschluss der Veranstaltung? Hoch hinaus!

Rückblickend auf die vergangenen 3 Tage am Seddiner See haben mir zum einen das Supertiming jedes Tages, nämlich der stete Wechsel zwischen Schulungen, Bewegungstraining und Pausen für einen Kaffee und gemeinsamen kleinen Schnacks, und zum anderen die abendlichen Erfahrungsaustausche in gemütlicher Runde mit selbst gezapftem Bier oder Wein oder auch nur Wasser sehr gut gefallen. Bei einer heiteren Atmosphäre haben wir uns viel besser kennen gelernt, es wurde auch persönliches preisgegeben, Freundschaften wurden vertieft oder neu gebildet, und es hat so alle dort anwesenden „Mitstreiter“ zu einer echten Gruppe zusammengeschweißt. Es ist auch gut, dass zum Teil Angehörige mit dabei waren, die sich bestens in die Gruppe integriert haben. Für mich als Angehöriger, der zum ersten Mal dabei war, und den gesamten Gehschul-Workshop mitmachen durfte, waren es beeindruckende Tage. Ich möchte die Zeit dort nicht missen. Es hat mir gefallen!

Unser Zimmer in der Unterkunft war im Prinzip ok. Recht geräumig, angenehme Betten, 3 Fenster, alles war gut. Ich schaute ins Bad. Alles prima. Hannelore schaute ins Bad und bekam fast einen Schock. Die eingebaute Dusche hatte einen Einstiegssockel, geschätzten Höhe ca. 30 cm. Auf einem Bein in die Duschwanne hüpfen war völlig unmöglich. Na ja, Michael K. hätte es sicher geschafft. Aber wir haben es auch geschafft. Ich habe Hannelore in die Dusche „rein- und raus gewuchtet“. Aber könnte das jeder? Abhilfe würde ein kleiner Tritt (z.B.aus Holz) mit halber Höhe (15 cm) schaffen.
Prima Zimmer!
(Ich habe das nur als unterhaltsame Episode geschrieben. Sie hat natürlich meine oben positive Einschätzung nicht beeinflusst)

Zum Ende meines „Rückblicks“ blicke ich noch auf etwas anderes zurück. Bevor wie angereist sind, war ich schon etwas neugierig auf den Seddiner See. Diese Neugierde konnte auf Grund der straff organisierten Tagesprogramme nur schwer befriedigt werden. Was nun tun? Ich habe eine körperertüchtigende Gymnastik für Angehörige geschwänzt. Wie peinlich das freiwillig zuzugeben. Ich habe die Zeit aber auch recht „körperaktiv“ genutzt. Da ich in der Natur sehr gern unterwegs bin, konnte ich nicht umhin, die Wege am Seddiner See, natürlich im flotten Tempo, ein wenig zu erkunden. Die Gelegenheit zum Schwimmen im erfrischenden Wasser habe ich ebenfalls genutzt. Gute Bademöglichkeiten bieten sich wenige 100 m vom Quartier entfernt an. Bei etwas Glück findet man auch einen kleinen Einstig in den See für nur wenige Personen.
Vielleicht wäre eine kleine Wanderung auf den teilweise auch anspruchsvollen Wegen oder sogar ein Bad im See (natürlich alles je nach Witterung) mal ein denkbarer Programmpunkt in der Agenda. Natürlich freiwillig und nur für die gut Trainierten. Wobei der Rest alternativ ein leichteres Sportprogramm machen könnte.
Nur so ein Gedanke!

Hannelore und ich, wir würden uns freuen, wenn wir im nächsten Jahr wieder mit dabei sein könnten.

Michael Dobrowolny

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